Sonntag, 23. September 2012

Walhalla

Es wurde Herbst im letzten Jahr. Man fing also wieder an mehr Computer zu zocken, kramte seine über den Sommer verstauten Figuren wieder vor um sie endlich zu bemalen und suchte seine warmen LARPklamotten heraus, denn jeden Herbst gab es bis jetzt ein "Barbarenlande". Dies war eine Conreihe, speziell zugeschnitten auf die eher nordischeren Charaktere der Ostlande, vornehmlich einer Spielergruppe, den "Åsländern", bei denen ich mitmache.
Letztes Jahr sollte tatsächlich der Höhepunkt werden, denn die "Åsländer" wollten den ansässigen Hochkönig ermorden. Zur Vorbereitung gab es Treffen, Taktikbesprechungen, wir tauschten Ausrüstung untereinander und lernten (fast) alle auch ein Gedicht auswendig, welches wir sogar selbst... öhm... adaptiert haben: 

Lo ther du a si mäi fatheren.
Lo ther du a si mäi matheren, mäi swesderen och mäi brouderen.
Lo ther du a si mäi älderens raike lain, ah orr doh fürste mann.
A kun här demm ropa min:
Däi bejd mi tejk mäin seath emang demm
In da horls o Snjallahall
Öhrr da stolte mann
lif
äwiglicht!

Wer es erkannt hat... Snjallahall ist tatsächlich Walhall(a). 
Wie lernt ihr Irgendetwas auswendig? Ich sage es mir immer wieder vor, bis ich es mir merken kann. So geschehen, als ich mit meiner Tochter durch den nahen Wildpark zog. Das Wetter war grau und auf dem Holzspielplatz waren kaum Kinder. Die Schaukeln waren leer, bis auf ein kleines Mädchen, welches von ihrem freakigen Vater angeschubst wurde, während dieser das Gedicht zitierte. Natürlich war meine Tochter neugierig. (folgender Dialog ist natürlich gekürzt.) "Kannst du das auch auf deutsch sagen, Papa?" Ich tat also wie mir geheißen... "Papa? Was ist denn Walhalla?" fragte sie mich. "Das ist so etwas wie der Himmel. Nur dass dort nur Jene hinkommen, die gut gekämpft haben." Die Stirn meiner Tochter kräuselte sich. "Papa, gibt es da auch Engel?" Ich überlegte... "Ähm... nein. Es gibt dort eine lange Tafel an der man mit allen anderen sitzt und jeden Tag darf man gegen Riesen kämpfen. Aber abends sitzt man mit seinen Freunden wieder an der Tafel." Meine Tochter strahlte über das ganze Gesicht. "Das ist ja genau wie Nimmerland!"


Dieser Satz war eine der größten Weisheiten, die ich jemals in meinem Leben gehört habe.

Betrachten wir uns also einmal Walhall(a) und Nimmerland.
Gemeinsamkeiten:
  • Eine Gruppe von "Männern" kämpft jeden Tag gegen das Böse, oder misst sich untereinander, und erfährt Unterstützung durch mannigfaltige Hilfmittel. 
  • Ein Held kehrt in die "richtige" Welt zurück um eine Frau zu lieben. (Snorri ist hier dann wohl Peter Pan.)
  • Die "Männer" werden von (einer) Frau(en) bedient.
Ich gebe zu, dass ich nicht glaube, dass meine Tochter diesen Vergleich angestellt hat, oder auch nur die Verknüpfungen im Sinn hatte, aber hat Sir James Matthew Barrie mit seinem Peter Pan versucht genau diese Verknüpfung darzulegen? Hat er geklaut? Oder ist der Kindheitstraum vom "Nicht-Erwachsen-werden" nur der Vorbote des "Nicht-sterben-Wollens" der(s) Erwachsenen? Ist das Erschaffen einer parallelen Traumwelt in der man (in alle Ewigkeit) genau das machen kann, was man am allerliebsten macht die Auslebung von Kinderträumen? Ist dies Religion?* Ich weiß es nicht...

Ich weiß nur, dass ich seit dem Tag immer wieder über diese Dinge nachdenke und die Verzweigungen scheinen zu wachsen. Inwieweit ist Nimmerland Walhall(a)? Inwieweit ist Nimmerland und Walhall(a) Rollenspiel oder das Spiel mit einer Rolle? Inwieweit ist Walhall(a) eine frühe Form des Eskapismus**, wie er heute (aus-)gelebt wird. Ist Religion Rollenspiel? (Wer ist der Spielleiter bei den Christen? Gott, Papst, Pfarrer?) Ist jeder Glaubensgrundsatz eine frühe Form des Eskapismus, wie er in Sir James Matthew Barries Bühnenstück gezeigt wird? 
Immerhin gibt es ja auch die "Jedi Church", bzw. den Jediism im wahren Leben.

Ich freue mich jedenfalls auf den Zeitpunkt, wenn meine Tochter mit mir Grundsatzdiskussionen führen wird. Jetzt bete ich aber erstmal zu meinem Werholzbaum im Garten, denn die Nacht ist finster und voller...

Eine Gruppenphotokollage von unserem Halbthursen angefertigt. (Bildmitte oben)

*Ich sehe schon wie so viele Menschen "Blasphemie" brüllen und die Hände über die Köpfe werfen, falls sie überhaupt mitlesen. Vielleicht nehmen Manche sogar ihre Bibel zur Hand und möchten wiederlegen. *g* Oh ja, bitte!

**Hier wird von der erweiterten Eskapismustheorie ausgegangen, bei der gesagt wird, dass alles, was sich nicht direkt mit der eigenen Person beschäftigt Eskapismus, und schon "ok" ist. (Vgl. Daily Soap, Kriminalroman, etc.) Rollenspiel ist "nur" eine weitere Form von Eskapismus.

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