Sonntag, 8. Dezember 2013

Weihnachtsmarkt

Eigentlich hatte ich bereits einen Plan, als ich meine Tochter vom Kindergarten abholte. Dieser Plan besagte, dass wir nach Hause fahren würden und dann Sport machen. Sport heißt bei uns vor allem, dass ich meine Joggingklamotten anziehe und laufe, während meine Tochter neben mir auf ihrem Fahrrad fährt und alle Lieder singt, die sie kennt. Oder wir machen Kraftsportübungen zusammen, die darin enden, dass ich meine giggelnde Tochter stemme. So haben wir, irgendwann vielleicht sogar regelmäßig, genug Bewegung*. 
"Papa?"
"Ja?"
"Können wir auf den Weihnachtsmarkt gehen? Ich war dieses Jahr noch gar nicht auf dem Weihnachtsmarkt."
"Öhm ich dachte wir wollten..."
"Ohbüddebüddebüdde!"
*seufz*
Ich bin nicht gerade der größte Freund von Weihnachten und dem Konsum, der verkauften Zuneigung oder dem heiligen Fest ansich wo jeder Mensch gezwungen ist nett zu den Anderen zu sein... es ist ja Weihnachten. Und dann schaute ich in die Augen meiner Tochter... Diese infantile Freude an den Lichtern, der Wärme von Kerzen, dem Geruch von Räucherwerk...
"Na ok." sagte ich.

Wir stellten das Auto etwas abseits und marschierten los. Zuerst wollte ich noch in einem Kaufhaus diverse total männliche Pflegeartikel holen (Haarspülung), was uns dann eine Stunde lang in der Spielzeugabteilung aufhielt. Dank meiner kleinen "Schwester" und meiner Freundin ist meine Tochter von den "Fluffy Puff Tales" auf "My little Pony" gekommen und die Kommerzhymne pfeift mir durch's Hirn wenn ich nur daran denke. *sparkle, sparkle*
Dann Kreppelchen auf dem Weg zum ersten Karussell. Dort (ich schimpfe jetzt
mal nicht über Preise) dampfte meine Tochter mit dem Leipzigexpress ein paar Runden herum. Ich machte mir einen Spaß daraus neben dem Zug herzulaufen und sie in die Kreppelchentüte greifen zu lassen... sehr zu meinem Vergnügen... wenig zu dem der herumstehenden besorgten Eltern, denen ich damit ihren Sprösslingsschnappschuß versaute. Als die Fahrt zu ende war, blickte mich meine Tochter etwas verstört an, mir ihren Fahrtchip entgegen haltend. "Er hat vergessen..." sagte sie, ich schaltete schnell. "Komm erstmal." Wir gingen abseits. "Er hat vergessen den Chip zu nehmen." widerholte sie. "Ich weiß... und wir müssen überlegen, was wir jetzt machen." sagte ich mit dem Ergebnis, dass mich meine Tochter noch verwirrter anblickte. "Hmmm... Der Mann hat vergessen dir den Chip abzunehmen. Was machen wir jetzt? Wir können ihn zurückgeben. Das wäre ehrlich. Oder wir behalten ihn und können nochmal fahren. Deine Entscheidung." Meine Tochter überlegte... "Ich behalte ihn. Wenn der Mann an der Kasse uns beim nächsten mal vergisst einen Chip zu geben, habe ich noch einen übrig." Sie steckte den Chip also in die Jackentasche und wir zogen weiter.

So kam es, dass wir zu einem großen Holzkarussell kamen. Dort waren auf zwei Etagen Pferde, Hühner, Kamele, Tiger, drehende Gondeln und was nicht noch alles. Natürlich kauften wir auch hier einen Chip und warteten bis das Karussell anhielt. Meine Tochter wollte selbstverständlich auf ein Pferd, welches sich auf und ab bewegte. Dann brach der Krieg los. Mit Weihnachtskriegsbemalung, und diversen Helmen mit Pelzaufschlag und Glöckchen, verzierte Amazonen warfen ihre Kinder auf Pferde und kämpften so schmutzig mit Ellenbogen und Knien gegen ihre ErzrivalInnen und deren Sprösslinge, das "Der reitende Berg" seine wahre Freude gehabt hätte. Ihr Kriegsschrei klang nicht laut und weit, aber schrill und keifend... Was sollte ich tun? Mit meinen körperlichen Vorraussetzungen hätte ich diesen Kampf durchaus gewinnen können... unter diversen Verlusten meiner moralischen Grundsätze und etlichen Opfern meiner natürlichen Feinde. Leichen dieser Amazonen und ihrer Sprösslinge würden die Planken des Karussells bedecken. Das Blut würde in kleinen dampfenden Rinnsalen auf das Pflaster tropfen und dort langsam gefrieren, während meine Tochter als Einzige auf einem Pferd mit braunem Schopf ihre Runden dreht... beleuchtet von flackerndem Blaulicht. Ich würde wie Marv sein... Boromir... Yoren von der Nachtwache...
Den Gedanken abschüttelnd ging ich mit meiner Tochter an den Rand und wir warteten. Dann wieder Krieg... bestimmte Gedanken abschüttelnd ging ich erneut mit meiner Tochter an den Rand und wir warteten... Ich kämpfte vier Runden lang um meine Beherrschung und einen Pferdeplatz. "Papa, wenn wir in der nächsten Runde kein Pferd abbekommen, nehme ich eine Gondel, ja?" sprach meine Tochter mit einer Weisheit, die ich einer Sechsjährigen nicht zugetraut hätte. Dann bei der fünften Runde hatten wir Glück. Ein Pferd. endlich! Als sie saß, blickte sie von ihrem graumähnigen Pferd auf das braunmähnige neben ihr, welches natürlich bereits besetzt war. "Papa? Ich wollte eigentlich auf einem mit braunen Haaren reiten." Ich blieb cool. Ich wollte nicht cool bleiben, aber mein Verstand war wohl von meinem Erfolgserlebnis ein Pferd ergattert zu haben so abgelenkt, dass meine "Gingergene" deaktiviert blieben. "Schau mal..." sagte ich. "... dein Pferd ist wie Sternenschweif**. Es ist grau und unscheinbar, aber wenn du ihm das Zauberwort ins Ohr flüsterst, verwandelt es sich in ein Einhorn." Dann blickte ich vom Rand aus zu wie meine Tochter stolz auf ihrem Sternenschweif saß. Ihr Blick war voller Liebe auf mich gerichtet, ihr Lächeln wärmte mir das Herz in einem Maße, wie es nur Töchter bei ihren Vätern vermögen. Vielleicht lag es nur an den Lichtern, an der kitschigen Musik, oder weil mir ein Lebkuchen-Mandel-Kreppelchen-Krümel ins Auge geflogen war... aber ich rieb mir eine Träne weg und schniefte ein wenig.

Nur meine Tochter mit Helm und Axt posend...

*- ich laufe regelmäßig um mich fit zu halten... vor allem um meine Rolle auf dem Conquest of Mythodea ausfüllen zu können, damit ich länger tanzen kann und damit ich nackt nicht so scheiße aussehe. 

**- Sternenschweif - Kinderbuchreihe um ein Mädchen dessen grauen Pony sich in ein magisches Einhorn verwandeln kann. Guckt nicht so... das ist nicht unwarscheinlicher als Dr. Who!!!