Dienstag, 2. April 2013

Ostern-Nacht

Es ist schon erstaunlich... Man freut sich darauf ein frohes Osterfest zu verbringen und erlebt ein Abenteuer, wie es selten eines gibt. Irgendwie hatte ich mir nach 3 Jahren Ostern ohne meine Tochter das Ganze anders vorgestellt... Aber wahrscheinlich hatte ich Disney-Hollywood-Filme im Kopf... doch ich will nicht länger um die gekochten Eier herumreden...

Freitag hatte ich frei und dieses Gefühl kostete ich mit meiner Tochter aus. Wir spielten unser neues Lieblingsspiel (Brettspiel) "Wer wars?" was im Übrigen das Herz eines jeden Rollenspielers hochleben lässt, sahen ein paar Folgen Avatar (Der letzte Luftbändiger), machten zusammen Pfannkuchen... wie es sein soll... Den leichten Husten am Abend kurierten wir mit einem Hustentee und gingen beide früh ins Bett.
Halb zwölf wurde ich durch das Husten meiner Tochter wach. "Scheiße..." dachte ich mir. " ... da werden wir das Osterfest doch wohl hoffentlich nicht in sozialer Isolation verbringen müssen." Im Halbschlaf bemerkte ich noch, dass es ja ganz schön viel Husten ist... Dann kam Bewegung in die Sache. Ich hörte meine Tochter aufstehen und stellte fest, dass sie immernoch stark hustete. Ich sprang auf. Im Flur begegnete sie mir dann und versuchte unter Tränen zu sprechen, schaffte es aber nicht und hielt mir ihre kleine Hand hin, in der sie eine Pfütze Schleim hielt. 
Panik Level I
Wir also ins Bad, dort weiteres Abhusten von Schleim, Erbrechen, Atemnot, das kleine rote Gesicht färbt sich weiß, die Adern am Hals treten hervor und das Atmen klang wie eine alte Dampfmaschine, deren Dichtungen erneuert werden mussten. Sie versuchte immer wieder zu sprechen, was aber nur ihre Atemnot erhöhte.
Panik Level II
Ich versuche sie zu beruhigen, springe dann zum Telefon und rufe die Polizei an. (Was man bei Panik so alles vergisst, nicht wahr?) Die weisen mich aber höflich auf die 112 hin. Dort rufe ich *auch* an, während meine Tochter weiter hustet und keucht. Adresse gegeben, Fall beschrieben... warten. Ich weiß ehrlich nicht, ob es 2 oder 5 oder 10 Minuten/Stunden waren, bis die Leute ankamen. Meine Tochter war auf meinem Arm und ich versuchte sie zu beruhigen, dann klingelte es. Notarzt und Sani sahen sie sich an. Der Arzt war sehr freundlich, lächelte viel. "Alles gut soweit, aber besser ins Krankenhaus." Der Sani betrachtete vor allem meine Waffensammlung an der Wand und meinen Rüstungsständer... das beruhigte wahrscheinlich mich... irgendwie.

Anmerkung:
Kennt ihr diesen Augenblick, wenn sich Arzt und Sani angucken und ohne Worte kommunizieren? Das macht mich irre. Ich weiß nie, ob gerade Irgendjemand zum Tode verurteilt wurde, ich einen Anruf vom Jugendamt bekomme oder nach einer Spenderlunge gesucht werden soll. 
 
Erste Untersuchung, dann kommt der Krankenwagen. Ich ziehe meiner Tochter schnell ein paar Socken und Schuhe an. Ich weiß gar nicht ob es ihr besser ging oder sie nur apathisch war. Dann ging es runter in den Krankenwagen, Flexüle legen, ich bemerkte, dass ich nur T-shirt und Hausschuhe trug... Sie bekam ein Beruhigungsmittel und eine Atemmaske. Als sie stabil war und wegpennt sprintete ich also nochmal hoch und zog mir was an, griff noch die kleine pinke Jacke, Mütze, Schal... dann runter... Der Krankentransport rollt an.
Panik Level I
"Was ist die Adresse ihrer Tochter?" 
"Ähm... keine Ahnung... die sind erst umgezogen... sie wohnt offiziell nur da..." 
"Aber sie SIND der leibliche Vater?" 
"Öhm ja... ich kann ihre Mutter anrufen" *keiner geht ran*  
Panik Level II 
"Öhm... vielleicht später?" frage ich.
*winkt ab* "Ich schreibe ihre Adresse auf."
Panik Level I

Im Krankenhaus angekommen sprechen der Notarzt (unterwegs) und der Notarzt (vor Ort) miteinander, dann Untersuchung... Adrenalin für die Lungen über Inhalator.
Ich erinnere mich bruchstückhaft an ein Gespräch mit der Schwester, einer ca. fünfzigjährigen, sturen Sau:
"Chipkarte?"
"Die habe ich nicht, die hat ihre Mutter."
"Adresse?"
"Öhm... sie ist erst umgezogen" 
Sie betrachtet mich wie einen Drogensüchtigen Kinderschänder der nach einem Bankraub 2 Omas umgefahren hat und nun auf ihre Gräber uriniert. Dann drückt sie mir einen Zettel in die Hand.
"Unterschreiben sie hier!"
Ich blicke leicht verwirrt auf den Zettel, mein Zwischenruf nach Zellstoff verhallte bei ihr ungehört, so dass meine Tochter sich auf ihr Nachthemd übergibt. Der Arzt nimmt mir den Zettel aus der Hand und legt ihn mit einer Mimik beiseite, die mir versichert, dass jetzt andere Dinge erstmal wichtiger sind, und ich denke noch... Faith in humanity restored Level Notarzt.
Die Ärzte unterhalten sich noch leise über Meth, dann macht sich der Notarzt (unterwegs) wieder los, aber nicht ohne mir noch ein paar praktische Tipps zu geben, was ich das nächste mal bei Atemnot machen kann, bevor ich den Notarzt rufe.
Später lese ich den Zettel auf dem steht, dass ich belehrt wurde, dass ich die Kosten selbst tragen muss, wenn die Chipkarte nicht vorgelegt wird... und vielleicht auch trotzdem... und ich stellte noch fest: Das würde mich ruinieren... *Schultern zuck* I don´t give a Fuck...

Dann ist meine Tochter wieder wach und mit dem Rollstuhl "Racer" geht es auf die Kinderstation. Es ist dreiviertel Eins. Nun wird sie erstmal gewogen und vermessen, dann gibt es einen Schlafanzug und dann halb 2 ein Bett. Schwester Claudia ist ruhig und nett. Der Tropf wird noch aufgedreht... Medi und Flüssigkeit... Auch für mich gibt es ein Bett direkt neben meiner Tochter. Mein Schal wird zum Kuscheltier, dann schlafen wir irgendwann ein. 
Panik Level 0

Am nächsten Morgen hat meine Tochter einen Elephantenarm, weil der Tropf doch in das Gewebe gelaufen ist. Der Rest ist schnell erzählt. Sie wollte sofort auf´s Klo und spielen und wir wurden erst von den Kabeln befreit, dann hatten wir es selbst raus. Frühstück und spielen... Ich erledige noch Papierkram und rede mit den Stationsschwestern, die sehr nett und zuvorkommend sind. Der Arzt guckt in das Spielzimmer und sagt nur: "Ich mache die Entlassungspapiere fertig." Dann gibt es einen langen Spaziergang nach Hause...

Es war Samstag und das erste Abenteuer Ostern war bestanden.

Eigentlich wundert es mich im Nachhinein, nach all den gehörten Geschichten bei Feiern, dass solch ein Abenteuer nicht schon eher passiert ist. Aber wenn es dann soweit ist... Nun jetzt weiß ich also bei Atemnot: Fenster auf und heiße Dusche an, ruhig bleiben... und ich weiß... Die Rettungsleute in Leipzig machen einen guten Job.
 
Die Seite des Blogs von meiner neuen Arbeitsstelle aus.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen