Donnerstag, 27. September 2012

Tofu

Jedes Jahr vor dem "Conquest of Mythodea" sieht es bei mir aus, wie in einer durchschnittlichen Theaterwerkstatt kurz vor der Premiere des Stücks. Klamotten hängen auf Bügel oder auf Ständern mit Nadeln gespickt und Stofffetzen versehen, auf der Loggia trocknet eine Schicht Latex auf einem Schwert, einem Schild und ein Beilchen und auf dem Herd köchelt ein Topf frisches Kunstblut. Meine Tochter ist natürlich mittendrin... und hat Fragen, also erkläre ich ihr, so gut es geht, was es mit dem Conquest, Mitraspera, Untotes Fleisch, Silent Hill, Fleischnähern, Leichte Infanterie, Argus auf sich hat. Da ihre Mami und ich getrennte Wege gehen ist das NSC-Dasein meiner Tochter vorerst vorüber. Sie war dieses Jahr (2012) Spielerin in der Stadt.

Erinnerungseinschub:
Meine Tochter fährt eigentlich seit ihrem ersten Lebensjahr auf das Conquest, ist schon dem höchsten Equilibri vor die Füße gekrabbelt und eines ihrer ersten Worte war "Argus". Sie war auch schon mal als Enkelin der Knochenkönigin bezeichnet worden... Ich erhielt von der Orga dazu nie ein offizielles Statement.

"Papa? Wirst du mich auch angreifen?" fragte sie mich dann. "Nein, ich werde dich nie angreifen!" antwortete ich und hoffte innerlich, dass es wirklich nie dazu kommen würde, dass ich ihr als UF begegne.*

Nun kam es dazu, dass sich meine Hausgemeinschaft zum Grillen im Garten traf und meine Tochter wieder mittendrin. Man stelle sich die Situation vor: Ca. 8 Bewohner aus dem Haus zwischen 31 (ich) und 78 Jahren sitzen beieinander und plaudern über GEMA, Schmerzen und Anwohner anderer Wohnhäuser, als meine Tochter plötzlich meint: 
"Mein Papa ist Anführer des Untoten Fleisches." 
-kurze Stille-
"Aber ich bin nur Heilerin, bei den Fleisch..., nee, nich´ bei den Fleischnähern. Papa wie heißt das?" Ich bekämpfe das innerliche Gefühl der Panik, welches von einer plötzlich geraumen Anzahl Augenpaare ausgeht, die auf mich gerichtet ist. Ich lege mir eine Argumentationsmethodik zurecht und... schinde Zeit? "Siedler heißt das mein Schatz. Magst du noch... ähm... Mozarella?" Und dann rollt die Lawine von Fragen an. Ich erkläre also LARP (mal wieder) und verteidige, bzw. relativiere die martial anmutenden Aussagen meiner Tochter. Es geht sogar so weit, dass ich versuche Thesen aus meiner Diplomarbeit darzulegen um die Natürlichkeit von "Rollenspiel" zu zeigen, aber auch die Gefahren des Eskapismus. Nach gut einer Stunde lächelt die Runde erleichtert, versteht jetzt die blutüberströmten Schaufensterpuppen auf meinem Dachboden und meine Tochter hat eine Nachbarin zum Einhorn gemacht und sie reiten zusammen durch den Hof.
Ich finde solche "Gespräche" immer irgendwie anstrengend. Nicht dass ich mich nicht gerne selbst reden höre... *schmunzel* LARP ist immernoch ein Hobby voller Vorurteile, trotz wachsender Medienpräsenz und Waldrittern. Sollte ich wirklich auf den Rat von "normalen Menschen" hören und meine Tochter davon fernhalten? Oder nur kindgerechte LARPs besuchen (auch ohne meine Tochter) um das Gemüt meiner Tochter zu schonen? Natürlich nicht, oder? Ich denke immernoch dass mein Leben eine Reise ist und meine Tochter begleitet mich dabei. Sie davon abzuhalten solche Dinge zu erleben würde für mich bedeuten sie über ihren Vater zu belügen. Natürlich hat dies Grenzen, die ich denke gut einsehen zu können... bin ja nicht nur Vater, sondern auch Pädagoge.

Beim Hochtragen eines Tisches meinte mein Nachbar: "Untotes Fleisch... Jetzt weiß ich endlich was Tofu wirklich bedeutet."

Conquest 2009

* Es ist nicht so, dass ich mich jemals dazu entschließen könnte meine Tochter anzugreifen. Aber sie würde mich Papa nennen und wenn ich Papa bin, bin ich nicht Captain der Leichten Infanterie des 3. Lairdoms "Silent Hill" im Endlosen Heerwurm zu Gnaden der Knochenkönigin.

Sonntag, 23. September 2012

Walhalla

Es wurde Herbst im letzten Jahr. Man fing also wieder an mehr Computer zu zocken, kramte seine über den Sommer verstauten Figuren wieder vor um sie endlich zu bemalen und suchte seine warmen LARPklamotten heraus, denn jeden Herbst gab es bis jetzt ein "Barbarenlande". Dies war eine Conreihe, speziell zugeschnitten auf die eher nordischeren Charaktere der Ostlande, vornehmlich einer Spielergruppe, den "Åsländern", bei denen ich mitmache.
Letztes Jahr sollte tatsächlich der Höhepunkt werden, denn die "Åsländer" wollten den ansässigen Hochkönig ermorden. Zur Vorbereitung gab es Treffen, Taktikbesprechungen, wir tauschten Ausrüstung untereinander und lernten (fast) alle auch ein Gedicht auswendig, welches wir sogar selbst... öhm... adaptiert haben: 

Lo ther du a si mäi fatheren.
Lo ther du a si mäi matheren, mäi swesderen och mäi brouderen.
Lo ther du a si mäi älderens raike lain, ah orr doh fürste mann.
A kun här demm ropa min:
Däi bejd mi tejk mäin seath emang demm
In da horls o Snjallahall
Öhrr da stolte mann
lif
äwiglicht!

Wer es erkannt hat... Snjallahall ist tatsächlich Walhall(a). 
Wie lernt ihr Irgendetwas auswendig? Ich sage es mir immer wieder vor, bis ich es mir merken kann. So geschehen, als ich mit meiner Tochter durch den nahen Wildpark zog. Das Wetter war grau und auf dem Holzspielplatz waren kaum Kinder. Die Schaukeln waren leer, bis auf ein kleines Mädchen, welches von ihrem freakigen Vater angeschubst wurde, während dieser das Gedicht zitierte. Natürlich war meine Tochter neugierig. (folgender Dialog ist natürlich gekürzt.) "Kannst du das auch auf deutsch sagen, Papa?" Ich tat also wie mir geheißen... "Papa? Was ist denn Walhalla?" fragte sie mich. "Das ist so etwas wie der Himmel. Nur dass dort nur Jene hinkommen, die gut gekämpft haben." Die Stirn meiner Tochter kräuselte sich. "Papa, gibt es da auch Engel?" Ich überlegte... "Ähm... nein. Es gibt dort eine lange Tafel an der man mit allen anderen sitzt und jeden Tag darf man gegen Riesen kämpfen. Aber abends sitzt man mit seinen Freunden wieder an der Tafel." Meine Tochter strahlte über das ganze Gesicht. "Das ist ja genau wie Nimmerland!"


Dieser Satz war eine der größten Weisheiten, die ich jemals in meinem Leben gehört habe.

Betrachten wir uns also einmal Walhall(a) und Nimmerland.
Gemeinsamkeiten:
  • Eine Gruppe von "Männern" kämpft jeden Tag gegen das Böse, oder misst sich untereinander, und erfährt Unterstützung durch mannigfaltige Hilfmittel. 
  • Ein Held kehrt in die "richtige" Welt zurück um eine Frau zu lieben. (Snorri ist hier dann wohl Peter Pan.)
  • Die "Männer" werden von (einer) Frau(en) bedient.
Ich gebe zu, dass ich nicht glaube, dass meine Tochter diesen Vergleich angestellt hat, oder auch nur die Verknüpfungen im Sinn hatte, aber hat Sir James Matthew Barrie mit seinem Peter Pan versucht genau diese Verknüpfung darzulegen? Hat er geklaut? Oder ist der Kindheitstraum vom "Nicht-Erwachsen-werden" nur der Vorbote des "Nicht-sterben-Wollens" der(s) Erwachsenen? Ist das Erschaffen einer parallelen Traumwelt in der man (in alle Ewigkeit) genau das machen kann, was man am allerliebsten macht die Auslebung von Kinderträumen? Ist dies Religion?* Ich weiß es nicht...

Ich weiß nur, dass ich seit dem Tag immer wieder über diese Dinge nachdenke und die Verzweigungen scheinen zu wachsen. Inwieweit ist Nimmerland Walhall(a)? Inwieweit ist Nimmerland und Walhall(a) Rollenspiel oder das Spiel mit einer Rolle? Inwieweit ist Walhall(a) eine frühe Form des Eskapismus**, wie er heute (aus-)gelebt wird. Ist Religion Rollenspiel? (Wer ist der Spielleiter bei den Christen? Gott, Papst, Pfarrer?) Ist jeder Glaubensgrundsatz eine frühe Form des Eskapismus, wie er in Sir James Matthew Barries Bühnenstück gezeigt wird? 
Immerhin gibt es ja auch die "Jedi Church", bzw. den Jediism im wahren Leben.

Ich freue mich jedenfalls auf den Zeitpunkt, wenn meine Tochter mit mir Grundsatzdiskussionen führen wird. Jetzt bete ich aber erstmal zu meinem Werholzbaum im Garten, denn die Nacht ist finster und voller...

Eine Gruppenphotokollage von unserem Halbthursen angefertigt. (Bildmitte oben)

*Ich sehe schon wie so viele Menschen "Blasphemie" brüllen und die Hände über die Köpfe werfen, falls sie überhaupt mitlesen. Vielleicht nehmen Manche sogar ihre Bibel zur Hand und möchten wiederlegen. *g* Oh ja, bitte!

**Hier wird von der erweiterten Eskapismustheorie ausgegangen, bei der gesagt wird, dass alles, was sich nicht direkt mit der eigenen Person beschäftigt Eskapismus, und schon "ok" ist. (Vgl. Daily Soap, Kriminalroman, etc.) Rollenspiel ist "nur" eine weitere Form von Eskapismus.

Montag, 17. September 2012

Logik

Ich bin gestern von einem LARP zurück auf dem 17 Kinder anwesend waren, ohne dass es als "Kinder-LARP" ausgeschrieben war. Man kann sicher das Für und Wieder gerne diskutieren und vielleicht passiert dies auch noch in den einschlägigen Foren, doch für unsere Geschichte ist diese Diskusion eigentlich nebensächlich. Persönlich erkenne ich die Leistung der Orga erstmal vorbehaltslos an, so viele Kinder und deren Eltern auf Con zu kriegen. Ich hatte mich sehr gefreut, dass ich mit meiner Tochter zusammen Zeit verbringen und sogar zum ersten mal auf LARP Rollen spielen konnte.

Nun begab es sich dass eine Maschine (IT) am Sonntag Morgen (oder eher Mittag) auf einen Berg gebracht werden sollte. Veranlasst hatte dies ein recht bekannter Adliger. Hierzu brauchte man nicht nur einige Träger, sonder als Sicherheit eine Gruppe von 6 Zwergen (die unglaublich gut gespielt wurden). Diese Zwerge jagten allerdings gerade sehr geräuschvoll Räuber im Wald. Da ich nun wusste, dass die Zeit knapp wurde und ich es wirklich noch nie erlebt habe, dass Zwerge im Wald IRGENDWAS erfolgreich gejagt hätten, begab ich mich also zu besagtem Adligen, um eventuell die Sache zu beschleunigen. Meine Tochter saß während des folgenden Gespräches zufällig auf meiner Schulter.

(sehr frei wiedergegeben)





"Herr von Falkenstieg, können wir nicht vielleicht schon die Kiste auf den Berg bringen? Die Zwerge sind beschäftigt."
"Nein, wir brauchen die Zwerge für die Sicherheit."
"Sie jagen vollgerüstet Räuber im Wald."
"Ich weiß, doch sie sind wichtig um die Maschine zu bewachen."
"Herr, wenn Zwerge etwas im Wald jagen dann passiert nur eines: Sie kehren gefrustet zurück."

Der Adlige und ich starren uns einige Sekunden an, die Fronten sind verhärtet, es ist völlig klar dass es an diesem Punkt keine Einigung geben konnte. Weitere Zuhörer scheinen nach Worten und/oder Argumenten zu suchen, als es freudestrahlend von meiner Schulter erklingt:
"Ich kann heilen."
  Alles lacht.

Wenige Minuten später rannten meine Tochter und ich in den Wald und heilten einen Zwerg.

Beim üben mit einem Elbeninstrument. Danke hierfür an die Elben...

Dienstag, 11. September 2012

The Beginning of the Quest

So... ich habe es getan. 

Ja, auch ich habe nun einen eigenen Block. Warum? Nun... irgendwie glaube ich fast momentan muss man einfach einen haben und da ich ja noch nie gegen den Strom schwimmen konnte... Zum anderen ist es der nächste Schritt um das Internet in all seinen Facetten kennenzulernen... Aber die Idee hab ich eigentlich schon seit... Hmmm... Ich glaube seit meine Tochter zum ersten mal mit mir Rollenspiel gemacht hat. Manche von euch werden jetzt skeptisch gucken, andere nach dem System fragen, nach dem Alter meiner Tochter als nächstes und am Ende vielleicht sogar, ob sie jemals einen Würfel verschluckt hat. (Nein hat sie nicht obwohl es schon einmal knapp war.) Nein, in diesem Fall geht um Rollenspiel, welches alle Kinder von Natur aus spielen. (Besserwisserfinger erheb und räusper: Siehe auch Psychosoziales Rollenspiel von Kindern) Aber wenn es in diesem Blog nur darum gehen würde, wäre er sicher auch etwas langweilig. 

Was meine Tochter bei ihrem ersten Rollenmimen nämlich nicht wußte ist:  

ich bin ein Rollenspieler! 

Mit Leib uns Seele bin ich Rollenspieler, Ruhe und Entspannung finde ich beim basteln und malen (auch von kleinen Figürchen) ja sogar LARPer bin ich mit größter Leidenschaft. Deshalb kommt es immer zu witzigen, schrägen, albernen, aber auch ernsten und philosophischen "Szenen" zwischen uns. Dies soll der Ort sein, an dem ich diese festhalte. Aber wenn ihr auch solche Anekdoten habt, nur her damit. Die können hier ebenso veröffentlicht werden (Nein, nicht unter meinem Namen) und ihr müsst nicht gleich einen Blog schreiben.

Als kleinen Einblick ein Photo von meiner Tochter und mir von ihrem ersten Conquest of Mythodea 2008 (größtes Liverollenspiel der Welt).

Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass sie mal Archont wird... Ich komm nur nicht drauf warum... *Schmunzel*